Nachkriegs-Kaleidoskop für Nostalgiker

Ein packendes Nachkriegs-Kaleidoskop mit weltbekannten Songs, die zwar aus den Charts, aber nicht aus den Herzen verschwunden sind: Das Sechziger-Jahre-Musical "Summer of Love", das nun in der Rother Kulturfabrik Premiere hatte, weckt bei Älteren Nostalgiegefühle und animiert Jüngere, den Plattenschrank der Eltern genauer unter die Lupe zu nehmen.

Es ist schon die fünfte Musicalproduktion, die das Stadtorchester Roth auf die Bühne bringt. Im Lauf der Zeit hat sich die einstige Jugendkapelle unter der Leitung von Walter Greschl immer stärker professionalisiert und darf sich längst auch an Stoff herantrauen, der für ein durchschnittliches Bläserensemble zwei Nummern zu groß wäre.
Nach dem Glenn-Miller-Musical 2014 hat das Rother Musicalteam erneut ein von dem Schwäbisch Haller Autorenduo Georg Kistner und Christoph Biermeier verfasstes Stück übernommen, das vom Regisseur Frank Harzbecker auf Rother Verhältnisse umgeschrieben wurde.

Das Lokalkolorit hält sich gleichwohl in Grenzen, denn erzählt wird die Geschichte einer Gruppe von Abiturienten, die nach dem Schulabschluss in die wilde und komplizierte Welt der 1960er Jahre hinauszieht und alles das miterlebt, was jenes ungestüme, zerrissene Jahrzehnt ausmachte. Der "Weißt Du noch"-Faktor erscheint für jene, die in diese Epoche hineingeboren wurden, riesig. Kommt im "Summer of Love" doch alles vor, was rund zwei Dekaden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Menschen beschäftigte: Altnazis in den Gremien und neue Kriege weltweit, aus denen sich ein wiederbewaffnetes Deutschland nicht auf Dauer heraushalten konnte; bürgerlicher Muff in den Familien und Aufbruchstimmung bei den Studenten - und ein Musik-Panorama zwischen betulichem Schlager, fetzigem Rock und Beat.

Die Einzelschicksale, die im "Summer of Love" erzählt werden, sollen (proto-) typisch sein: Ein Mädel geht nach Berlin und gerät dort an einen radikalen Vordenker der Außerparlamentarischen Opposition (APO), die später die Generation der RAF-Terroristen hervorbringen sollte.

    

Ihre Freundin verliebt sich in einen amerikanischen Offizier und folgt ihm gegen den Widerstand des verbitterten Vaters in die USA. Daheimbleiber ersticken förmlich im Kleinstadtmief und kommen in der Großstadt doch nur unter die Räder.

Dass aus solchen Schablonen auf der Bühne greifbare, glaubwürdige Charaktere werden, ist einem Ensemble zu verdanken, das bis in die Nebenrollen hinein stimmig besetzt wirkt und fühlbar mit Herzblut agiert. Hanna Wendel nimmt man es ab, wenn sie als Abiturientin Hilde aus der mittelfränkischen Provinz in die geteilte Metropole Berlin flüchtet und dort vom naiven Mädchen zur klugen Frau reift. Veronika Thoma lässt zusammen mit Peter Thoma, der auch im richtigen Leben ihr Ehemann ist, das Flower-Power-Märchen von der deutschen Ute und ihrem schneidigen US-Major John Wirklichkeit werden.

  

  

Lucas Jubl füllt den schüchternen, hoffnungslos in Hilde verliebten Reiner mit ebensoviel Leben, wie dies Gregor Seifert mit dem Jungrevoluzzer Rudi gelingt. Bewusst witzig und skurril kommen Frank Maile als Schuldirektor und Angela Rudolf als verklemmte Lehrerin daher. Da muss es halt mal Heintje sein statt Elvis.

  

Wie viel man aus einer Nebenrolle machen kann, zeigt Christina Schmalzl als Christa mit ausdrucksvoller Soulstimme und beredtem Minenspiel. Der Kleber, der das bunte Patchwork zusammenhält, ist Verena Lopez als Reporterin mit sanft zynischem Unterton, die ebenso konturiert erscheint, wie das gelungene Vaterporträt Frank Harzbeckers.

  

Joker ist das Stadtorchester, das entfesselt aufspielt und auch für die spektakulären Choreografien der Tanzschule Bogner - ein echtes Highlight dieser Produktion - den richtigen Sound findet.

Wer sich den Spaß gönnt, tut übrigens Gutes, denn mit dem Reinerlös unterstützt der Lions-Club Roth-Hilpoltstein unter anderem die Projekte "Kindergarten plus" und "Klasse 2000", was wohl auch den Blumenkindern gefallen hätte.

Text: Hans von Draminski  in  Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung, 06. Februar 2016, Seite 29
Fotos: Hans von Draminski  und  Karlheinz Pfahler

Hilfswerk des Lions Clubs Roth-Hilpoltstein - Spendenkonto: DE22 7645 0000 0240 0088 88 - BYLADEM1SRS - Sparkasse Mittelfranken Sued
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